Teil 5

 

 

william

Deutsche Schriftsteller in der Krise. Wie sollen sie sich nennen? Wie ist ihr Verhältnis zur Natur und zur Grammatik? Wann stirbt das letzte Einhorn?

 

Was bisher geschah: Der Verband „VS Schriftsteller“ erwägt, sich umzubenennen in „VSS Schriftstellerinnen und Schriftsteller“. In bisher vier Teilen ging es darum, wie sich schriftstellerische Arbeit und Gleichstellungspolitik verträgt, bzw. eben gerade nicht verträgt: Die Gleichstellungspolitik bringt nämlich eine Vorstellung von Sprache mit sich, die drei Gebote kennt: 1. Das natürliche und das grammatische Geschlecht sind eins! 2. Es gibt keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit! 3. Der Plural hat ein Geschlecht!

 

 

Dieser Teil gipfelt in einem Aufruf an die Schriftsteller, sich nicht umzubenennen. Tut es nicht!

 

 

Teil 5

(letzter Teil)

Es soll kein Sammeltaxi geben

 

Der Sprachfeminismus verlangt große Opfer von uns. Wir müssen unser Sprachempfinden stets aufs Neue überstrapazieren, wenn wir uns den Quälgeisterinnen und Quälgeistern fügen und uns dabei den drei Geboten der sexistischen Sprache unterwerfen wollen. Es gelingt sowieso nicht. Die geschlechtergerechte Sprache, die auf Doppelnennungen oder angehängten Innen-Schwänzen besteht, stellt Ansprüche, die überhaupt nicht erfüllt werden können. Wie sieht es mit folgendem Satz aus: „Frauen sind die besseren Autofahrer“? Kann man das noch so sagen oder muss es „Autofahrerinnen und Autofahrer“ heißen? Nein? Dann eben nicht. Nicht so schlimm.

 

Schlimm ist, dass wir der Doppelnennung alle Begriffe opfern sollen, die etwas Gemeinsames bezeichnen. So erklärt sich auch die Feindschaft gegen das so genannte generische Maskulinum („die Schriftsteller“, „die Autofahrer“, „die Fußgänger“ …), das nicht nur deshalb ausgerottet werden soll, weil es irgendwie männlich wirkt und deshalb den männerfeindlichen Feministen ein Dorn im Auge ist, sondern weil es eine neutrale Sammelstelle sein will.

 

Die Frauenbewegung in Tübingen forderte in den achtziger Jahren ein eigenes Frauentaxi. Die Busverbindungen waren nicht ausreichend, ein normales Taxi war ihnen zu teuer. Die Stadt bot schließlich einen Kompromiss an: ein spezielles Sammeltaxi, das in den Nachtstunden verkehren sollte. Das wollten die Frauen nicht. In so einem Taxi könnten ja Männer mitfahren. Sie protestierten mit dem Gedicht: „Sammeltaxi, das ist fein -/ der Vergewaltiger steigt mit ein.“

 

Also kein Sammeltaxi. Keine Sammelstellen für alle. Die sollte es nicht mehr geben. Nicht in Tübingen, nicht im Rest der Welt. Nicht in der Wirklichkeit. Nicht in der Sprache. Neutrale Begriffe sollen durch das zweigeteilte Modell „Innen-Form/nicht-Innen-Form“ ersetzt werden, durch das „duale System“ der so genannten ZweiGenderung, mit der überall der Keil der Trennung in bestehende Gemeinschaften getrieben wird, als sollten wir alle verpflichtet werden, ein Bild von der Welt anzuerkennen, das aussieht wie das zerrissene Foto von einem Ehepaar, das inzwischen geschieden ist.

 

Wie sehr uns ein geschlechtsneutraler Sammelbegriff fehlt, haben wir im dritten Teil an der Frage gesehen, welche Gruppe wir Herta Müller zuordnen wollen. Wenn sich der Verband der Schriftsteller tatsächlich in VSS umbenennen würde, stünde er dumm da. Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge die Schlagzeilen der Spötter-Presse:

 

Die deutschen Schriftsteller haben ihre Gemeinsamkeit aufgekündigt. 

Die deutschen Schriftsteller wissen nicht mehr, wie man einen Plural bildet.

 

 

Schriftsteller, die noch bei Trost sind, meiden die Innenform in allen Varianten (siehe dazu auch den Teil 4), ein Binnen-I kommt in ihrer Prosa gar nicht vor. In Hörbüchern sowieso nicht – kleiner Scherz. Allerdings kein guter. Es gibt tatsächlich Überlegungen, wie man durch besondere Betonungen ein Binnen-I hörbar machen kann. Man könnte sich da an einer Aussprache mit Schnalzlauten, wie man sie von den Xhosa kennt, orientieren.

 

Scherz beiseite. Es bleibt dabei: Schriftsteller können es grundsätzlich nicht akzeptieren, dass der Plural ein Geschlecht haben soll und dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt. Das ist nicht verhandelbar.

 

Oder doch? Die Überlegung des Schriftstellerverbandes, einen neuen Namen anzunehmen, um damit eine Gleichstellung auch unter Schriftstellern anzuzeigen, zeigt Verhandlungsbereitschaft und signalisiert ein Entgegenkommen an die Politik.

 

Die Gleichstellungspolitik besteht darauf. Denn so eine Politik kann es nur geben, wenn man sich vorstellt, dass der Plural ein Geschlecht hat. Gleichstellungspolitik arbeitet grundsätzlich gruppenbezogen, sie sortiert die Gruppen nach „männlich“ und „weiblich“ und weist ihnen als erste Maßnahme ein Geschlecht zu. Daraufhin werden die Gruppen im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit gleichgestellt.

 

Es kommt noch schlimmer. Wenn der Plural ein Geschlecht haben soll, muss ein strenges Reinheitsgebot angewendet werden. Es müssen zu 100% reine Gruppen sein – rein männlich oder rein weiblich. Sonst kann man ihnen kein Geschlecht zuweisen. Die Gruppen dürfen keinesfalls gemischt sein.

 

Wo gibt es solche Gruppen?

 

In der Utopie der Gleichstellungspolitik. Sonst nicht. Die Gleichstellungspolitik erschafft solche Gruppen erst und verlangt, dass in Zukunft noch mehr davon geschaffen werden – beispielsweise die Gruppe der rein weiblichen Quotenfrauen, die der rein weiblichen Gleichstellungsbeauftragten, die wiederum nur von Frauen gewählt werden dürfen, oder die rein weibliche Gruppe der Nutznießerinnen des Professorinnen-Programmes. Am einflussreichsten war und ist vermutlich der rein weibliche Deutsche Juristinnenbund e.V., der die Zerstörung der Familien in den Gerichtssälen vorantreibt.

 

Keine Widerrede: Die „Bürgerinnen und Bürger“ mögen das. Die Politiker gehen davon aus. Sie beschreiben uns als verblödete Masse, denen man jedwede sprachliche Dummheit bieten kann. Sie glauben tatsächlich, dass wir beeindruckt sind von der Zielgenauigkeit (!) und von der Qualität (!), die unsere Politiker an den Tag legen. Dadurch wird die Akzeptanz (!) erhöht. Wenn nicht, dann hilft das Gesetz nach. Sehen wir selber – und achten wir auf die Erkenntnis (!), auf der das alles gegründet ist:

 

Strategie „Gender Mainstreaming“

Dieses Vorgehen, für das sich international der Begriff „Gender Mainstreaming“ etabliert hat, basiert auf der Erkenntnis, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt (…) Das Leitprinzip der Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet die Politik, Entscheidungen so zu gestalten, dass sie zur Förderung einer tatsächlichen Gleichberechtigung der Geschlechter beitragen. Ein solches Vorgehen erhöht nicht nur die Zielgenauigkeit und Qualität politischer Maßnahmen, sondern auch die Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern.

Rechtliche Vorgaben

Verpflichtungen zur Umsetzung einer effektiven Gleichstellungspolitik im Sinne des „Gender Mainstreaming“ ergeben sich sowohl aus dem internationalen Recht als auch aus dem nationalen Verfassungsrecht.

 

 

Es soll niemand sagen können, wir hätten es nicht gewusst. Wir wissen es, wollen es aber nicht wahrhaben: Wir werden von einem totalitären, sexistischen Staat regiert, der sich in alle Lebensbereiche einmischt und schon eine beängstigende Machtvollkommenheit erreicht hat. So eine Politik hat es nicht nötig, sich hinter einem Schleier zu verstecken, sie sagt es offen: „ … basiert auf der Erkenntnis“! Erkenntnis? Ist das eine Erkenntnis?

 

Nein. Das wissen die Politiker selber. Sie betrügen vorsätzlich – mit Ansage. Oder wie der Schwabe sagen würde: mit Fleiß. Sie wissen, dass wir kuschen, und dass es niemand wagen wird, sie zu kritisieren. Ihnen gehört die Sprache. Sie bestimmen, was eine „Erkenntnis“ ist. Sie bestimmen, wie wir zu reden haben. Das machen wir dann auch brav und wir erkennen die ansteckende Krankheit nicht, die wir damit verbreiten. Dazu fehlt uns wiederum die Erkenntnis.

 

Vielleicht ist es für manche von uns zu sehr schwer anzuerkennen, dass sich die Aufmerksamkeit der anderen auch noch auf etwas anderes als auf uns persönlich richten könnte. Vielleicht glauben manche von uns wirklich, dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt, weil sie alles, was über sie hinausgeht, gar nicht sehen, nicht sehen können. Damit wären sie überfordert. Das ahnte schon Friedrich Nietzsche: „Nichts wird dem Menschen schwerer, als eine Sache unpersönlich zu fassen: ich meine, in ihr eben eine Sache und keine Person zu sehen.“ Manche können es offenbar nicht. Solche Leute sollten sich lieber aus der Politik heraushalten.

 

 

 

Gibt es ein Einhorn im richtigen Leben? Schafft Sprache Wirklichkeit?

 

Hinter all den Überlegungen zur richtigen Benennung steht die zentrale Frage, die im ersten der drei Gebote formuliert ist: Ist das grammatische Geschlecht mit dem natürlichen Geschlecht gleichzusetzen? Ja oder Nein?

 

Wenn wir diese Frage mit „Nein“ beantworten, dann ist die Debatte an dieser Stelle beendet, die Schriftsteller hätten keine Sorgen mehr, sie könnten weiterschreiben wie bisher, könnten bei ihrem traditionellen Namen bleiben und könnten zufrieden sein.

 

Die Politiker wären aber nicht zufrieden. Denn die Politik der Gleichstellung, die angestrengt versucht, eine künstliche Gleichstellung von Frauen und Männern durch Quotenregelungen und Sprachvorschriften zu erzwingen, funktioniert nur, wenn man das grammatische und das natürliche Geschlecht gleichsetzt und so tut, als ginge es nicht um Worte, sondern um Menschen. Manche können sich das nicht anders vorstellen.

 

Wenn die als „männlich“ definierten Sprachformen ausgemistet werden, dann steckt dahinter nicht etwa ein Gefühl für Sprache, sondern ein Gefühl gegen Männer – gegen Männer aus der wirklichen Welt. Wenn man die weiblichen Formen verbreiten will, dann wird so getan, als hätte man damit etwas Gutes für Frauen in der wirklichen Welt getan.

 

So wie in dem Film vom letzten Einhorn den Kindern erzählt wird, dass ein Einhorn stirbt, wenn das Kind nicht mehr an das Einhorn glaubt, so wird den Männern erzählt, dass eine Frau weint, wenn ein Mann nicht konsequent die Innen-Form verwendet. In so schönen Worten wird es natürlich nicht gesagt, es heißt vielmehr, dass Frauen „diskriminiert“, dass sie „marginalisiert“, dass sie „unsichtbar gemacht“ werden. Ihnen wird mit Sprache „Gewalt angetan“, sie werden mit Sprache „vergewaltigt“.

 

Es sind nicht meine Worte. So sagen es Luise F. Pusch und Senta Trömel-Plötz. Das klingt, als hätte sich Loriot diese Namen ausgedacht, doch so ist es nicht. Es ist auch nicht lustig. Die Vorwürfe stehen immer noch im Raum. Es sind heftige Vorwürfe. Sie funktionieren nur unter der Voraussetzung, dass man eine Gleichheit von grammatischem und natürlichem Geschlecht annimmt. Daran muss man glauben. Deshalb wird es immer wieder behauptet.

 

Obwohl es nicht so ist. Arthur Brühlmeier hat schon vor Jahren auf diesen verhängnisvollen Irrtum hingewiesen. Egal. Genau dieser Irrtum ist nach wie vor die Grundlage für den Sprachfeminismus.

 

(Ich nehme an, dass Schriftsteller den kleinen Text von Brühlmeier kennen, falls nicht, hier ist der link: ‚Sprachfeminismus in der Sackgasse’).

 

 

Sexisten sind gefährliche Pantoffelhelden

 

Was ist los? Wie kann es sein, dass gleichzeitig zwei Auffassungen nebeneinander existieren, obwohl nur eine von beiden richtig sein kann? Und wie kann es sein, dass die Auffassung, das natürliche und das grammatische Geschlecht seien gleich, mehr und mehr Anhänger gewinnt, obwohl sie falsch ist?

 

Weil es Sexisten sind, die so denken. Besser gesagt: so fühlen. Bei ihnen steht Sex an erster Stelle. Nicht die Suche nach Wahrheit oder ein intellektueller Anspruch. Ein Sexist ist fertig mit seiner Weltanschauung. Er will keine andere.

 

Man kann nicht mit ihm diskutieren. Wenn man ihm erklärt, dass das grammatische und das natürliche Geschlecht zwei Paar Schuhe sind, sagt er: „Ich will nur ein Paar. Die anderen Schuhe passen mir nicht“. Wenn man ihm mit Objektivität kommt, kommt er mit Subjektivität. Es stört ihn nicht, dass die Schuhe, die er hat, billige Pantoffeln sind. Für seine Innenwelt reicht es.

 

Der Verband der Schriftsteller ist eine recht geräumige Anlaufstelle, er bietet Platz für Autoren, die hermetische Texte schreiben und für Künstler, die das Ungefähre mögen und sich auf schwer zugängliche Lyrik spezialisiert haben. Das alles gibt es. Das soll es auch geben. Wenn nun aber jemand eine Formulierung vorschlägt, die für alle gelten soll, dann muss er seine Eigenwelt verlassen können und sich auf einen allgemeinen Nenner einlassen. Er muss in der Lage sein zu argumentieren. Dann reicht ein Satz wie „Ich fühle es aber so“ nicht. Auch nicht: „Ich höre Stimmen von fremden Mächten aus der Politik, denen ich mich fügen muss.“

 

Wir leben in einer Zeit, in der Sexismus staatstragend geworden ist; in einer Zeit, in der weibliche Sexisten offiziell gefördert werden und männliche Sexisten versuchen, wenigstens eine kleine Scheibe von der Wurst abzukriegen. Deshalb gibt es so viele Sexisten. Deshalb findet ihre Sichtweise so unverhältnismäßig große Verbreitung. Das heißt jedoch nicht, dass ihre Vorstellung von Sprache richtig ist. Ist sie nicht. Sie ist nach wie vor falsch.

 

Die Verwechslung von grammatischem und natürlichem Geschlecht bringt einen ganzen Rattenschwanz von Problemen mit sich. Es gibt nämlich drei grammatische Geschlechter – der, die, das –, jedoch nur zwei biologische. Damit wird aus einer dreidimensionalen Sicht der Welt eine zweidimensionale. Wie wird das Problem gelöst?

 

Es wird einfach behauptet, dass es „keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt“. Das sagen sie deutlich genug. Sie verkünden es im Brustton der Überzeugung. Sie sagen tatsächlich (und stellen damit Möglichkeit und Wirklichkeit gleich), dass es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit „gibt“, obwohl sie eigentlich „geben möge“ sagen müssten oder „in Zukunft nicht mehr geben dürfe“, denn noch gibt es gewisse Reste von Neutralität.

 

Noch. Sie werden nach und nach abgeschafft. Neutralität gilt heute nicht mehr als neutral, sondern als typisch männlich. Wie Objektivität. Deshalb werden neuerdings beide Begriffe reflexartig mit dem Beiwort „vermeintlich“ versehen, man spricht also von „vermeintlicher Objektivität“, von „vermeintlicher Neutralität“ oder von „vermeintlichen biologischen Tatsachen“ und nimmt den Begriffen damit ihre Bedeutung. Natürlich darf auch der Plural, wie wir gesehen haben, nichts Neutrales mehr an sich haben und muss entweder weiblich oder männlich sein.

 

Wenn es keine Neutralität geben darf, dann muss auch das „das“ weg. Dann muss ein Kind, zu dem man früher unbefangen „das Kind“ gesagt hat, so früh wie möglich sexualisiert werden, damit man es entweder als männlich oder als weiblich ansehen kann, es darf jedenfalls nicht länger Neutrum (ne-utrum, also keins von beiden) sein. Dann steht auch Gott nicht mehr jenseits von irdischen Geschlechterfragen, dann ist Gott weiblich und ist eine Freundin von Margot Käßmann.

 

Die Schriftsteller haben es versäumt, sich schon in den Anfängen gegen die hinterhältigen Angriffe auf die Muttersprache zu wehren. Sie haben sich zurichten lassen wie der berühmte Frosch, der sich bei lebendigem Leibe kochen ließ, der allerdings sofort aus dem Topf gesprungen wäre, wenn er sofort mit dem heißen Wasser in Berührung gekommen wäre. So war es nicht. Das Wasser wurde langsam immer heißer und der Frosch hat den Absprung verpasst. Dann war es zu spät.

 

Ist es nun zu spät für ein klares „Nein“ gegen die VSS-Form? Trauen sich die Schriftsteller inzwischen nicht mehr, einem Politiker oder gar einer Frau zu widersprechen? Lassen sie sich freiwillig zu Bazillenträgern einer sexistischen Weltanschauung machen, zu der sie sich bei jeder Pluralbildung bekennen müssen?

 

Als ich im ersten Teil sagte: „Gleichstellung und Schriftsteller – das geht gar nicht“, war das ernst gemeint. Es geht wirklich nicht. Schriftsteller können die drei Gebote nicht akzeptieren, sie können sich dem gruppenbezogenen Denken nicht unterwerfen – und sie sollten keine Sexisten sein. Sie sollten ihr Sprachgefühl nicht verraten wie jemand, der aus Angst vor dem Tod Selbstmord begeht. Es geht um die Substanz.

 

Schriftsteller sollten weiterhin versuchen, so gut es geht, auf eigene Faust die Wirklichkeit mit sprachlichen Mitteln zu beschreiben. Gleichstellungspolitik dagegen versucht das Gegenteil. Sie versucht, die Wirklichkeit zu verunstalten, damit sie zu ihrer falschen Sprache passt.

 

Dem kann ein Schriftsteller, der seinen Hammer noch nicht an den Nagel gehängt hat, entgegentreten, indem er den Sprachfeminismus entlarvt und ihn mit den eigenen Waffen – nämlich mit denen der Sprache – schlägt. Das sollte er auch tun. Dazu möchte ich ihn ausdrücklich ermuntern und ihm zum Schluss die Worte zurufen, die mein Vater zu mir gesagt hat, als ich drei Jahre alt war und mich nicht traute, die Rutschbahn runterzurutschen:

 

„Na los! Sei kein Frosch!“

 

Herder2

 

 

Zum Schluss möchte ich mich mit einem Gedicht aus der Affäre ziehen, in dem es um den achtsamen oder eben auch um den nicht besonders achtsamen Umgang mit Worten geht. Es geht um diejenigen, die keine Fragen mehr zulassen und selbstgerecht von unumstößlichen Erkenntnissen ausgehen – und was sie damit anrichten. Es ist eines der frühen Gedichte von Rainer Maria Rilke:

 

Gebet der Mädchen zur Maria

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.

Sie sprechen alles so deutlich aus:

Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,

und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,

sie wissen alles, was wird und war;

kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;

ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.

Die Dinge singen hör ich so gern.

Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.

Ihr bringt mir alle die Dinge um.

 

Deshalb habe ich mich durchgerungen, im zweiten Teil – und schon in der Überschrift – in aller Deutlichkeit von „Sprachmördern“ zu sprechen. Ein heftiges Wort. Das ist sonst nicht meine Art. Doch ich stehe dazu: Erst wird das Wort umgebracht, dann das Ding.

 

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