Teil 3

william

Die deutschen Schriftsteller sind ratlos. Sie leiden an der Innenwelt und wissen nicht wohin mit Herta Müller

 

Was bisher geschah: Die deutschen Schriftsteller überlegen, ob sie ihren Namen ändern sollen oder nicht. Wenn sie sich wirklich, wie vorgeschlagen, in „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ umbenennen, dann reichen sie damit dem Sprachfeminismus den kleinen Finger und kämen in Teufels Küche. Sie müssten dann drei Gebote befolgen: 1. Das natürliche und das grammatische Geschlecht sind eins! 2. Es gibt keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit! 3. Der Plural hat ein Geschlecht!

 

 

Schauen wir ihnen über die Schulter, wenn sie mit Formulierungen ringen. Stellen wir ihnen Fragen dazu. Es geht nicht nur um einen Blick in die Werkstatt. Es geht um mehr. Im zweiten Teil habe ich heftige Worte gewählt und gesagt, dass sich durch Interpretation zeigen lässt, ob Schriftsteller Aufklärer oder Betrüger sind. Das wollen wir sehen:

 

 

Teil 3

(es gibt fünf Teile)

Liebe Schriftsteller,

nun mal ehrlich, unter uns: die Formulierung „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ hat einen Haken. Aber wo? Es gibt zwei mögliche Stellen. Es kommt ganz darauf an, was wir zum Ausdruck bringen wollen.

 

Wenn wir sagen wollen, dass die „Schriftstellerinnen“ zur Gesamtmenge der Schriftsteller dazugehören, dann wäre es eine falsche Aufzählung. Das wäre der Haken an dieser Stelle. Denn etwas, das bereits als Teilmenge in einer Menge enthalten ist, wird in einer Aufzählung nicht noch einmal extra aufgeführt. Die korrekte Formulierung wäre in diesem Fall „Schriftsteller einschließlich der Schriftstellerinnen“. Das klingt banal und überflüssig. Das wollen wir nicht sagen. Frauen waren von Anfang an mit dabei. Das ist nichts Neues.

 

Neu ist, dass die beiden Gruppen beziehungslos nebeneinander gestellt werden, obwohl das Verhältnis, in dem Männer und Frauen zueinander stehen, keinesfalls ein einfaches Nebeneinander ist. Es ist komplizierter. Auf dem Land sagten wir immer gerne: „stumpf ist Trumpf!“ Vielleicht war es gerade die Stumpfheit, die Formeln wie „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ so eine enorme Verbreitung beschert hat, auch wenn sie viel zu primitiv sind, um wahr zu sein. Das Verhältnis von Mann und Frau besteht in Wirklichkeit aus wechselseitigen Abhängigkeiten. Es ist ein komplexes Ineinander. Kein Nebeneinander.

 

Die Gleichstellungspolitik kennt aber nur ein Nebeneinander. Deshalb bringt sie auch so erstaunliche Modeworte wie „Work-Life-Balance“ hervor. Auch hier werden zwei Begriffe – Arbeit und Leben – nebeneinander gestellt, die sich grundsätzlich nicht voneinander trennen lassen und die man deshalb auch nicht nebeneinanderstellen und in eine Balance bringen kann wie eine Wippe auf dem Spielplatz, die stillsteht und gerade nicht wippt, weil an beiden Enden Kindern sitzen, die genau gleich schwer sind.

 

Die Formulierung evoziert Bilder, die uns eine falsche Vorstellung von der Sache, die bezeichnet werden soll, geben. Wir „begreifen“ sie nicht richtig; wir machen uns einen falschen „Begriff“. Einen falschen Begriff machen wir uns auch, wenn wir das Verhältnis von Männern und Frauen als unverbundenes Nebeneinander beschreiben, das kein Ganzes mehr ergibt.

 

Es wird dann so getan, als könnte man (es folgt eine Version im Singular für etwas Lebendiges), ein Organ heraustrennen, als wäre es ein Fremdkörper und könnte es außen vor lassen, ohne zu sehen, dass der Körper demnächst abstirbt. Oder (es folgt eine Version im Plural für etwas Mechanisches), als könnte man aus einem Gerät einige Einzelteile herausnehmen und daneben legen. Man hätte dann auf der einen Seite eine defekte Uhr, bei der ein paar Rädchen fehlen und auf der anderen Seite eben diese Rädchen. Wenn wir versuchen, die beiden Seiten in eine Balance zu bringen oder sie gleichzustellen, dann merken wir schnell, dass es nicht geht.

 

Oder nehmen wir ein anderes Bild: Stellen wir uns eine Einheit als Kreis vor, in dem es gleich viele männliche (schwarze) und weibliche (weiße) Elemente gibt. Wenn wir die getrennt aufführen wollen, wie stellen wir uns das vor? Als getrennt nebeneinander stehende Halbkreise, die gleich auseinanderfallen oder so wie in dem Ying-Yang-Symbol?

 

yin-and-yangdragon

 

Schriftsteller sind es gewohnt, sich ständig zu fragen, warum sie etwas genau so und nicht anders sagen wollen. Wenn es keine Abgabetermine gäbe, würden sie bis ans Ende ihrer Tage redigieren und korrigieren und sich Gedanken darüber machen, wie das, was sie schreiben, verstanden werden kann und wie es wirkt.

 

Also: Was soll ausgesagt werden? Warum soll es „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ heißen? Wie darf der liebe Leser das interpretieren? Soll er es so verstehen, dass Frauen und Männer in einem leicht zu trennenden Nebeneinander stehen?

 

Betrachten wir die Möglichkeit etwas näher: Wenn gesagt werden soll, dass es sich einerseits um die Untergruppe der weiblichen und andererseits um die Untergruppe der männlichen Schriftsteller handelt, die neuerdings separat aufgeführt werden, dann wird die Formulierung „Schriftsteller“ anders verwendet, als wir es bisher getan haben.

 

Das wäre der Haken an dieser Stelle. Denn bisher waren mit dem Plural „Schriftsteller“ alle gemeint. Nun wird so getan, als würden damit ausschließlich männliche Schriftsteller bezeichnet.

 

Wenn wir das so sagen wollen, dann müssen wir es auch tun und ausdrücklich von „männlichen Schriftstellern“ reden. Die richtige Formulierung wäre in diesem Fall also „Schriftstellerinnen und männliche Schriftsteller“ oder (was auf dasselbe hinausläuft) „weibliche und männliche Schriftsteller“. Das klingt ebenfalls banal – und überflüssig. Das wollen wir auch nicht sagen. Aber was dann?

 

Es ist wichtig, den Unterschied zu sehen: „Schriftsteller“ und „männliche Schriftsteller“ sind nicht dasselbe. Böll und Grass sind Schriftsteller. Beide sind Nobelpreisträger. Man kann sie zusammenfassend als „Schriftsteller“ und als „Nobelpreisträger“ bezeichnen.

 

Dass sie auch noch männlich sind, wissen wir zwar, es wird uns aber nicht explizit mitgeteilt. Ein Außenstehender, der sich nicht mit deutscher Literatur auskennt, wüsste es nicht. Der Plural hat kein Geschlecht. (Oder doch? Das ist eben die Frage).

 

 

Politisch korrekt oder poetisch korrekt?

 

Nun kommt noch Herta Müller dazu. Dass sie auch „Müller“ heißt wie der Parteigründer in einem Gedicht von Kästner, ist reiner Zufall (im ersten Teil habe ich das Gedicht als Beispiel für eine willkürliche Gruppenbildung herangezogen). Prima, prima, prima! Nun haben wir drei Schriftsteller und drei Nobelpreisträger.

 

Der Plural „Schriftsteller“ ist nach wie vor übergeschlechtlich, er ist, um das erneut zu betonen, nicht exklusiv männlich. Herta Müller gehört mit dazu. Zu den „Schriftstellern“, zu den „Nobelpreisträgern“.

 

Oder?

 

Hier stellt sich die Gretchenfrage des Sprachfeminismus: Gibt es einen Begriff, der beide Geschlechter umfasst oder nicht? Sitzen alle Autoren in einem Boot oder haben sie neuerdings zwei Boote – woher auch immer das zweite Boot gekommen sein soll?

 

boat1boat2

 

Es ist eine Frage, die wir aus der Mengenlehre kennen: Gibt es eine Menge oder zwei? Der Sprachfeminismus sagt: Es gibt zwei. Es muss alles zerteilt werden, so dass überall die Trennung sichtbar wird – die Scheidung, die Scheide.

 

Hier erkennen wir den Schaden, den uns der Sprachfeminismus eingebrockt hat und weiterhin einbrocken will: Er will uns einen übergeordneten Begriff wegnehmen, mit dem wir – ohne ständig auf das Geschlecht zu verweisen – etwas Gemeinsames bezeichnen können. Der Sprachfeminismus, der von Sexisten propagiert wird, besteht jedoch darauf, dass wir bei jeder Gelegenheit auf das Geschlecht hinweisen. Bei jeder! Er bestreitet sogar, dass es einen Begriff, der alle umarmt, geben könnte. Denn so etwas wäre eine geschlechtsneutrale Wirklichkeit. Die gibt es nicht. (Oder doch? Das wäre die nächste Frage).

 

Für Sexisten gibt es immer nur die „männliche“ oder die „weibliche“ Form, die stets gegeneinander in Stellung gebracht werden, aber niemals unter einem gemeinsamen Dach Unterschlupf finden können. Nun haben wir den Salat. Wir haben sogar zwei Salate. Wir haben zwei Gruppen statt einer: Schriftstellerinnen und Schriftsteller. In welche von beiden Gruppen gehört Herta Müller? Wohin mit ihr?

 

Wenn ich sage „Herta Müller ist mir von allen Schriftstellern die liebste“, dann vergleiche ich sie mit allen Schriftstellern, egal ob männlich oder weiblich, beispielsweise mit Böll oder Grass. Wozu brauche ich dann die „Schriftstellerinnen“?

 

Zu denen gehört Herta Müller nicht. Wenn ich nämlich sage „Herta Müller ist mir von allen Schriftstellerinnen die liebste“, dann vergleiche ich Herta Müller nur mit anderen Frauen, die schreiben. Nicht mit Böll oder Grass. „Schriftstellerinnen“ sind exklusiv weiblich.

 

„Jelinek und Müller sind Schriftstellerinnen und Nobelpreisträgerinnen“ Wie sieht es damit aus? Im Unterschied zu dem Satz, in dem es um Böll und Grass ging, erfahren wir an dieser Stelle mehr: Jelinek und Müller schreiben Bücher, sie sind vom Nobelpreiskomitee ausgezeichnet worden ­– und sie sind weiblich! Das wird – anders als es bei den Männern der Fall war – ausdrücklich und unmissverständlich erwähnt. Die angehängten „-innen“ verraten es.

 

Die haben es in sich, diese „-innen“! Sie sind tückisch. Wir sollten sie meiden.

 

 

Die Innenwelt gegen den Rest der Welt

 

Wir sollten uns nicht einlullen lassen: Die Innen-Form ist eine schlimme Plage. Ein Fluch. Sie ist eine Kampfansage. Sie ist die Flagge der Kampflesben, der Feministen, der männlichen und weiblichen Sexisten, sie ist ihre Marseillaise. Die Innen-Form ist ein bösartiger Virus. Mit ihr wird ohne Rücksicht auf Verluste ein sexistisches Verständnis von Sprache auf die Grammatik übertragen. Damit wird die Sprache geschändet und nach und nach zugrunde gerichtet.

 

Wir sind inzwischen mit verschiedenen Varianten (SchriftstellerInnen, Schriftsteller(innen), Schriftsteller_innen, Schriftsteller/innen, Schriftsteller*innen, Schriftsteller-innen – und eben auch Schriftstellerinnen und Schriftsteller) überschwemmt worden – mit Doppelnennungen, Schrägstrichen, Klammern, Unterstrichen und Sternchen, die dazu führen, dass die Sprache unaussprechlich wird. Als Peter Handke im Jahre 1969 den Band ‚Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt’ herausbrachte, konnte man davon noch nichts ahnen. Die Flut kam erst in den siebziger Jahren und bescherte uns zum Beispiel eine BenutzerInnenoberfläche.

 

Nun haben wir eine Invasion von Pseudo-Gruppen mit angehängten Innen-Schwänzen, selbst an Stellen, an denen wir sie nicht erwartet hätten, wie bei den erwähnten Benutzerinnen. Traurige Berühmtheit erlangten die gefallenen deutschen „Soldatinnen und Soldaten“, von denen Ursula von der Leyen gesprochen hat. In Afghanistan sind jedoch keine weiblichen, deutschen Soldaten gefallen. Dieser Innen-Club hat keine Mitglieder. Und was sind das für Frauen, denen Kulturstaatsministerin Monika Grütters gedachte, als sie im Andenken an das Attentat auf Hitler von den „Frauen und Männern um Graf von Stauffenberg“ sprach? Friedrich Olbricht? Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim? Werner von Haeften? Henning von Treschow? Ludwig Beck? Cuno Raabe? Carl Friedrich Goerdeler? Julius Leber? Wilhelm Leuschner? Albrecht von Hagen? (Habe ich einen vergessen?) Sie hat sogar wiederholt von den „Frauen und Männern um Graf von Stauffenberg“ gesprochen. Sie hat ihre Worte wohl überlegt – und von höchster Stelle bewusst die Unwahrheit gesagt. So wie diese Frauen-Gruppe rund um Graf von Stauffenberg so sind auch andere Innen-Gruppen reine Gespenster-Gruppen, die lediglich im Blubbern der geschlechtergerechten Sprache existieren. Sonst nicht.

 

JedeWahrheit

 

Fragen wir nach – erste Frage: Wird mit der Innen-Form eine Gruppe bezeichnet, die es tatsächlich gibt? Bei der Gruppe „Jelinek & Müller“ ist das der Fall. Ausnahmsweise. Aber sonst? Zweite Frage: Falls damit eine Gruppe bezeichnet wird, die sich neuerdings von einer bisher intakten Gemeinschaft abgespalten hat, was war der Grund dafür? Gibt es einen anderen als den, dass jemand nicht über den Tellerrand seiner Geschlechtszugehörigkeit hinausschauen kann? Oder nicht will?

 

Auf Dauer entsteht der Eindruck, dass der Plural eben doch ein Geschlecht hat: „Schriftstellerinnen“ ist ein Plural. Alle, die damit bezeichnet werden, sind weiblich. Na bitte! Der Plural hat ein Geschlecht. Also doch. So wird es von Frauenseite behauptet, und es sieht auf den ersten Blick so aus, als wären die vielen Innen-Formen auch viele, viele kleine Beweise.

 

Sie sind es nicht. Unser Beispiel von der Mini-Gruppe „Jelinek & Müller“ war die einsame Ausnahme – die einzige, die mir auf die Schnelle eingefallen ist. Alle anderen Innen-Gruppen, die mir einfallen, sind Luftnummern. Lügen.

 

Manchmal werde ich wehmütig. Die Sprache in der Zeit der Innenwelt, wie sie Peter Handke beschrieben hat, war schöner und klarer. Die Innen-Formen haben uns mehr Probleme gebracht als Lösungen. Sie gaukeln uns falsche Verhältnisse vor.

 

Weg mit ihnen. Weg mit den Innen! Wir brauchen sie nicht. Kürzen wir sie. Hier ein Tipp für alle, die sowieso schon genervt sind. Es gibt einen Browser, der ‚Binnen-I-be-gone’ heißt. Damit wird das lästige Binnen-I beseitigt. Aus der BenutzerInnenoberfläche wird wieder eine Benutzeroberfläche. Doppelnennungen – wie bei „Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ – werden damit jedoch nicht gelöscht. Schade. Doppelnennungen sind genauso verzichtbar wie das Binnen-I. Sie verstümmeln die Sprache, sie geben ihr Unschärfe und Verkrampfung und nehmen ihr Leichtigkeit und Eleganz.

 

Das überrascht nicht. Der Feminismus richtet sich nicht nur gegen Männer, gegen Kinder und gegen Objektivität, sondern auch gegen Schönheit. Denken wir an Schlampen-Paraden. Denken wir an Angriffe auf Schönheitsfarmen, auf Schönheitswettbewerbe, auf das Barbie-Haus, auf eine Sendung wie ‚Germany’s Next Topmodel’. Die Ideale hinter solchen Sendungen und Wettbewerben mögen umstritten sein, aber rechtfertigen sie Attacken? Schönheitsideale sind keine Vorschriften, sie sind – das haben sie mit der Kunst gemein – frei verhandelbar. Es genügt, wenn man sich ‚Germany’s Next Topmodel’ nicht anschaut und sich keine Barbiepuppe kauft – aber die Freiheit der anderen respektiert.

 

Es ist verständlich (aber deshalb noch lange nicht gerechtfertigt), wenn engagierte Frauen Aktionen lostreten, mit denen sie „fat shaming“ (wenn dünne Männer fette Frauen diskriminieren) anprangern oder „lookism“ (wenn Frauen, die sich nicht besonders schön finden, sich von Männerblicken diskriminiert fühlen). Man kann sich gut vorstellen, dass sich da so manche Frau persönlich getroffen fühlt.

 

Doch was spricht gegen sprachliche Schönheit? Welche Frau könnte sich davon diskriminiert fühlen? Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, dass der Sprachfeminismus bewusst etwas Schönes in etwas Hässliches umwandeln will. Doch genau das will er: Er will die Musikalität der Sprache zunichte machen; er will die Architektur gut gebauter Sätze zum Einsturz bringen; er will den Fluss einer fein gestalteten Prosa stören und das Gesamtbild ruinieren, als würde er ein krakeliges Graffiti an einer frisch gestrichenen Hausfassade hinterlassen. Es handelt sich nicht etwa um einen Kollateralschaden, der für einen guten Zweck in Kauf genommen werden muss. Es ist schon der Zweck. Nicht etwa der gute, sondern der schlechte Zweck.

 

Der Sprachfeminismus ist ein Säureattentat auf die Anmut der Sprache. Das verschafft vielleicht gewissen Frauen eine Art Genugtuung, doch es ist die Genugtuung von Kindern, denen man nie Grenzen gesetzt hat und die sich diebisch freuen, dass sie etwas kaputtgemacht haben. Es bringt ihnen einen Machtschwips, keinen großartigen Machtrausch, aber immerhin einen Schwips: Juhu! Sie haben es geschafft, sie haben den Männern etwas aufgezwungen. Dabei ging es ihnen nicht darum, was sie ihnen aufgezwungen haben, sondern dass sie es geschafft haben, ihnen etwas aufzuzwingen. Als hätten sie Vegetarier genötigt, Fleisch zu essen.

 

Das vermute ich. Ich habe nämlich den Eindruck, dass der Sprachfeminismus den Feministen selber gar nicht so wichtig ist, wie sie behaupten. Sie schätzen ihn nicht als Wert an sich. Sie schätzen ihn vielmehr als Möglichkeit, mit Männern in negativen Kontakt zu treten. Ich habe mich ein wenig im Internet umgesehen, da ist es mir aufgefallen: Frauen, die das Thema irgendwo eingebracht hatten, berichteten stolz, dass die Männerwelt irritiert war, als läge darin der eigentliche Erfolg, den sie auch ursprünglich angestrebt hatten.

 

Es ist kein Erfolg, der sie glücklich macht. Jedenfalls nicht lange. Sie wissen selber – was jeder Inquisitor weiß –, dass sie immer nur Lippenbekenntnisse erpressen können. Deshalb ist nie Ruhe in der Kiste. Da ist immer Bewegung. Eine Forderung folgt der nächsten. Die Forderung, nach „VSS Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ ist inzwischen nicht mehr auf dem neuesten Stand der aktuellen Wünsche von Sexisten. Die Schriftstellerinnen hinken der Entwicklung hinterher.

 

Inzwischen wollen die Feministen den Unterstrich „Schriftsteller_innen“ (mit kleinem i), um damit all denen einen Raum zu geben, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen können. Oder sie fordern analog zu den vorgeschriebenen Studierenden die „Schreibenden“, was an die „Kulturschaffenden“ erinnert, die es in der DDR gab. Dann würde es also „VS der Schriftsteller_innen“ oder „VS der/die Schreibenden“ heißen. Wie wäre das?

 

Frauen, die solche Verunstaltungen einfordern, sind feige Tyrannen. Männer, die sich dem Sprachfeminismus anpassen, sind traurige Gestalten. Wenn sie sich zu Wort melden, klingt es jedes Mal wie das jämmerliche Gestammel von verunsicherten Befehlsempfängern. Sie haben sich die Möglichkeit nehmen lassen, auf eigene Art höflich, rücksichtsvoll und liebevoll zu Frauen zu sein. Sie sollen in Zukunft keine eigene Art mehr haben. Alle müssen es auf ein und dieselbe Art tun. Männern sind die Formulierungen vorgeschrieben, mit denen sie Frauen „gerecht“ werden müssen.

 

Und wie? Immer schön die Doppelnennungen verwenden. Frauen nicht auf etwas „festnageln“, sie nicht auf etwas „reduzieren“, sie nicht „marginalisieren“, nicht „exkludieren“ oder gar „unsichtbar machen“.

 

Reicht das? Nein. Männer müssen obendrein sorgfältig auf ihre Wortwahl achten, als hielte man ihnen eine Pistole vor die Brust mit einer Drohung, wie man sie aus Krimis kennt: „Kein falsches Wort!“ (jedes Wort kann falsch sein, nicht nur „Dirndl“ oder „Tanzkarte“). Inzwischen gilt auch das so genannte generische Maskulinum (also die bisher übliche Pluralbildung) als falsches Passwort für den Zugang zur geschlechtergerechten Sprache.

 

Männer können die immer dringlicher werdenden Offensiven nicht länger ignorieren. Sie müssen sich dazu verhalten. Sie sollen aber nicht etwa nur genervt, gnädig oder womöglich gönnerhaft erdulden, dass Frauen unbeherrscht und schlampig daherreden; sie sollen es nicht länger nur tolerieren, sie sollen es vielmehr akzeptieren; sie sollen selber so sprechen und ihrerseits dazu beitragen, dass die deutsche Sprache zu einem nicht mehr übersetzbaren, kuriosen Provinzdialekt verkommt, den keiner mag.

 

Schriftsteller wissen, was sie tun. Mit Sprache umzugehen gehört zu ihren täglichen Routinen und Aufgaben. Viele von ihnen beherrschen auch eine Fremdsprache. Dann wollen wir doch mal sehen:

 

Aufgabe. Übersetzten Sie bitte:

Schriftstellerinnen und Schriftsteller lesen gerne

……………

Vergleichen Sie dazu:

Weibliche und männliche Schriftsteller lesen gerne

…………..

Vergleichen Sie dazu:

Schriftsteller lesen gerne

………….

Erläutern Sie die Unterschiede!

………….

 

 

Ich bin sicher, dass jeder Politiker, jeder Lehrer, jeder Pastor – kurz jeder, der eine geschlechtergerechter Sprache fordert und anderen vorschreiben will, an dieser simplen Aufgabe scheitert. Mit diesem Test können wir die Sprachmörder überführen. Ich wiederhole mich: Ich habe gezögert, den Ausdruck „Sprachmörder“ zu verwenden. Aber ich bleibe dabei.

 

 

Im vierten Teil geht es um die Frage, was Sexisten wirklich wollen.

Im fünften (und letzten) Teil geht es um die grundsätzliche Frage, ob das grammatische und das natürliche Geschlecht eins sind.

 

Zurück zum zweiten Teil

Zurück zum ersten Teil

 

 

 

 

 

 

Comments are closed.